Der Besuch des Hauptausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses im Botanischen Garten Berlin der Freien Universität Berlin führte den Abgeordneten den hohen Sanierungsbedarf vor allem im Gewächshausbereich deutlich vor Augen. Schwerpunkt des Besuchs am Mittwoch waren die über 100-jährigen denkmalgeschützten Schaugewächshäuser. Berlins Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung Steffen Krach begleitete die Abgeordneten aller Fraktionen auf ihrem Rundgang.
Gesamtsanierungsbedarf
Rund 174 Millionen Euro sind für die bauliche Sanierung des Berliner Botanischen Gartens und Botanischen Museums erforderlich. Zu diesem Ergebnis kommt ein 2018 erstelltes Gutachten im Auftrag der Freien Universität Berlin. Für die Schätzung des mittelfristigen Gesamtinvestitions-Bedarf der baulichen Sanierung wurde die gesamte Einrichtung mit allen Gebäuden vom Botanischen Museum bis zum Gartenzaun vom Ingenieurbüro rheform – EntwicklungsManagement GmbH begutachtet. Dieses Gutachten wurde in Ergänzung zu der rheform-Studie beauftragt, in der der bauliche Sanierungsbedarf an allen Berliner Hochschulen ermittelt wurde: In der rheform Studie für alle Berliner Hochschulen wurde ein Sanierungs- und Investitionsbedarf von 3,2 Milliarden Euro ausgewiesen. Hiervon entfallen etwa 30 Prozent allein auf die Freie Universität, für die damit einschließlich der Gelder für den Botanischen Garten ein Gesamtsanierungsbedarf in Höhe von 1,3 Milliarden Euro besteht.
Schaugewächshäuser haben innerhalb des Botanischen Gartens den größten Investitionsbedarf
Die Schaugewächshäuser stellen ein 15 Gewächshäuser umfassendes Ensemble dar, in dessen Zentrum das bekannte Große Tropenhaus bis 2009 bereits denkmalschutzgerecht und energetisch grundsaniert und das Victoriahaus im Sommer 2018 nach modernen Standards wiedereröffnet wurden. Die übrigen Teile des Ensembles müssen jedoch noch saniert werden.
Teilweise einsturzgefährdet: Besonders dringender Bedarf für das Mittelmeerhaus
Das Mittelmeerhaus zeigt starke Korrosionsschäden am Stahltragwerk und sehr starke Schäden an den Stehwandfenstern aus Holz. Im Jahr 2018 drohten die Lüftungsflügel des Mittelschiffes herabzustürzen und für Besucher und Beschäftigte gefährlich zu werden. In einer Notbaumaßnahme der Technischen Abteilung der Freien Universität Berlin wird die akute Gefahr gegenwärtig beseitigt. Aus Sicherheitsgründen muss das Mittelmeerhaus jedoch ab einer Windstärke 8 geschlossen werden. Rund 18 Millionen Euro sind für die denkmalschutzgerechte und energetische Sanierung des Mittelmeerhauses erforderlich.
Das mit Jugendstilelementen verzierte und mit seinen zwei Glastürmchen an eine dreischiffige Kathedrale erinnernde Mittelmeerhaus wurde in den Jahren 1903 bis 1908 erbaut. Es zeigt hauptsächlich Pflanzen der Mittelmeerregion und der Kanarischen Inseln. Es werden typische Landschaften dieser Regionen präsentiert, wie die Lorbeer- und Hartlaubwälder sowie die buschförmigen Macchien und Garigues. Das Mittelmeerhaus ist bereits seit 2001 ein besonders schöner Ort in Berlin, um standesamtlich zu heiraten (in Kooperation mit dem Standesamt Steglitz-Zehlendorf).
Marode: Die Gewächshäuser für Aronstabgewächse, tropische Nutzpflanzen und Farne
Fast ebenso marode sind die bis 1909 gebauten Schaugewächshäuser wie das Aronstab-Gewächshaus (Haus B), das Tropische Nutzpflanzenhaus (Haus C) und das Farnhaus (Haus F). Die außenliegenden genieteten Stahl-Traggerüste zeigen zunehmende Korrosionsschäden. Die Verglasung ist undicht, und der Energieverbrauch ist hoch. Diese drei Gewächshäuser zählen zu den ganzjährig über 22 Grad Celsius beheizten sogenannten Warmhäusern und zeigen spezielle Pflanzengruppen oder Themen der Tropen.
Bedeutung der Gewächshäuser
Die Schaugewächshäuser zählen mit ihrer tropischen und subtropischen Pflanzenwelt zu den Höhepunkten jeden Besuchs. Nahezu die Hälfte aller kultivierten Pflanzenarten des Botanischen Gartens wird unter Glas kultiviert. Die exotischen Pflanzen werden nicht nur ausgestellt, sondern sind Kern einer der artenreichsten und wertvollsten, wissenschaftlichen Pflanzensammlungen der Welt. Die Pflanzen sind dokumentierte lebende Sammlungsobjekte und stellen eine Ressource für die Forschung dar. Für die Besucherinnen und Besucher bietet die begehbare Lebendsammlung unter Glas das Erlebnis einer Landschaftsreise von der Wüste bis zum Tropischen Regenwald. Nur zwei der insgesamt 15 Schaugewächshäuser wurden bisher denkmalschutzgerecht und energetisch saniert: Die bisherigen Sanierungen des Großen Tropenhauses und des Victoriahauses konnten den Energiebedarf, die Energiekosten und die CO2-Emissionen im Betrieb dieser zwei Häuser um mehr als 50 % senken und sind eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Ein neues Besucherinformationssystem erreicht zudem eine zeitgemäße Präsentation auf hohem Niveau. Das ist auch für die weiteren 13 Schaugewächshäuser geplant.
Bauliche Unterhaltung durch die Freie Universität Berlin
Bereits seit 1995 gehört der Botanische Garten und das Botanische Museum zur Freien Universität Berlin. Allerdings wurde die bauliche Unterhaltung der Liegenschaft bis 31.Dezember 2016 noch von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen vorgenommen. Seit dem 1. Januar 2017 hat die Freie Universität diese Aufgabe übernommen, wofür sie pro Jahr einen gesonderten Zuschuss für die bauliche Unterhaltung (inkl. Wartung) in Höhe von 2,6 Millionen Euro erhält. Über eine bedarfsgerechte Anpassung dieses Zuschusses wie auch der investiven Zuschüsse für die Hochschulen insgesamt ist mit Blick auf den festgestellten Bedarf mit dem Land Berlin zu verhandeln.
Der Botanische Garten Berlin ist einer der drei bedeutendsten Botanischen Gärten weltweit und der größte in Deutschland. Als Wissenschaftsstandort genießt er einen international anerkannten Ruf. Seine mehr als 300-jährige Tradition als Ort wissenschaftlicher Pflanzensammlungen und als Ort des Wirkens bedeutender Wissenschaftler, Gärtner, Architekten und Bauherren weist ihn zugleich als herausragendes kultur-und wissenschaftsgeschichtliches Denkmal aus. Die steigenden Besucherzahlen im Botanischen Garten Berlin auf derzeit mehr als 450.000 Besucher jährlich belegen die Bedeutung als wichtigen Erholungs- und Bildungsort der Hauptstadt.