Kunstmuseum Singen
78224 Singen
Ekkehardstr. 10

Walter Becker (1893-1984). Traum und Wirklichkeit.
Malerei und Grafik.

Laufzeit: 15. Juli 2018 bis 23. September 2018

Das Kunstmuseum Singen macht mit seiner Sommerausstellung aufmerksam auf einen zu Unrecht viel zu wenig bekannten Maler und Grafiker des deutschen Spätexpressionismus. Walter Becker (1893-1984), der „Musiker unter den Expressionisten“ (Gerd Presler), trat zunächst als expressionistischer Grafiker und versierter Illustrator großer Werke der Weltliteratur hervor, bevor er sich, spät, der Malerei zuwandte. Zahlreiche stilistische Einflüsse verarbeitend schuf er ein kraftvoll farbiges, expressiv gestaltetes, flächenbetontes Werk ganz eigener Prägung, dessen Spannweite von stiller Melancholie bis zu ungestümer Vitalität reicht. Seine Bildwelt speiste sich aus Seherlebnissen, Erinnerungen, Träumen und aus der griechischen Mythologie. Rund 90 Arbeiten, fast ausschließlich Figurenbilder, aus allen Schaffensphasen geben einen Einblick in die Werkentwicklung Walter Beckers und beleuchten seinen eigenwilligen Beitrag zur Kunst der Moderne im 20. Jahrhundert.

Walter Becker, geboren in Essen, ausgebildet als Grafiker an der dortigen Kunstgewerbeschule (1913) und an der Karlsruher Kunstakademie (1915-1918) bei Walter Conz (1872-1947), trat zuerst als Mitglied der Heidelberger „Gemeinschaft“ um den Kunstwissenschaftler Wilhelm Fraenger (1890-1964) und der avantgardistischen Ausstellungsgemeinschaft „Gruppe Rih“ in Karlsruhe hervor, bevor er 1922/23 an die Kunstakademie Dresden in die Meisterklasse des Bildhauers und Malers Karl Albiker (1878-1961) wechselte. In den Zwanziger Jahren trat er als ebenso vielseitiger wie geistreicher Zeichner und Grafiker hervor, der bibliophile Buchausgaben (Jean Paul, Gogol, E.T.A. Hoffmann, Dostojewski usw.) mit gewitzten Illustrationen ausstattete. Die Fachwelt und das Publikum zollten ihm dafür hohe Anerkennung. Erst in den 50er Jahren gelang in Tutzing am Starnberger See und ermuntert durch Ludwig Hoelscher, den bekannten Cellisten, und dessen Frau Marion die Hinwendung zur Malerei, zur Fläche, zur kräftigen, „reinen Farbe“ der französischen Fauves und den Künstlern der „Brücke“ und des „Blauen Reiter“.

Diese Malerei, meist Akte, Interieur- und Straßenszenen, sowie der Eintritt in das Ausstellungswesen der Nachkriegszeit führten zur Berufung als Professor für Malerei an die Karlsruher Kunstakademie (1952-1958), einer Domäne gegenständlicher Kunst. Der Höhepunkt des Oeuvres datiert in das Jahrzehnt 1958 bis 1968. Das vorläufige Ende der Malerei 1968 fällt mit der zunehmenden Erblindung zusammen. „Seine Themen kreisen um die Einsamkeit des Menschen, sein Bemühen, diese Einsamkeit zu durchbrechen und zur Harmonie mit den Mitmenschen zu kommen...“ (Hans H. Hofstätter). Stilisierte Tänzerinnen in rhythmischer Ordnung, Stillleben, Portraits, einige wenige Landschaften, formale Experimente im Medium der Druckgrafik, als unbestrittene Höhepunkte die Serien der archaischen, leuchtend farbigen „Blauen Akte“ und mythologischen Bilder (Odysseus, Herakles, Hypnos und Thanatos) charakterisieren diese Periode. Wiesen bereits die späten mythologischen Bilder ungewöhnliche Bildformate, Stofflichkeit der Farbe, ortlos- entmaterialisierte Räume, überlängte, mitunter „fliegende“ Figuren, kühne Farbkonstellationen, senkrechte Richtungs- und abstrahierte Bewegungslinien und zeichenhafte Verknappungen auf, so verstärkten sich diese „magischen“ Tendenzen noch einmal in Beckers letzten, eigenwilligen Gemälden, die der nahezu erblindete Künstler ab 1974 in einem Seniorenstift in Dießen am Ammersee – auf Wachstüchern malend – schuf. 1984 verstarb Walter Becker. Sein Nachlass wird heute von Andreas Hoelscher betreut; sein Werk wurde und wird – flankiert von Überlegungen zur „Revision der Moderne“ – u.a. von Henri Nannen, Joseph Hierling, Rainer Zimmermann und Gerhard Schneider sowie dauerhaft im Museum Ettlingen und in der Kunsthalle Schweinfurt vermittelt.

Katalog: WALTER BECKER 1893 - 1984 MALEREI UND GRAFIK Herausgeber: Förderkreis Expressiver Realismus e.V., München Von Ingrid von der Dollen 2. überarbeitete Auflage 152 Seiten, 135 Abbildungen Tutzing (Edition Joseph Hierling) 2018 ISBN 978-3-9257435-32-4 18,00 €

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Kategorien:
Kunst | 20. Jahrhundert |  Ausstellungen im Bundesland Baden-Württemberg | Ort:  Singen |
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