Johannes Paul Raether - Protekto.x.x 5.5.5.1 - Precipitation
Laufzeit: 23. April 2017 bis 18. Juni 2017
Die Arbeitsweise des in Berlin lebenden Künstlers Johannes Paul Raether lässt sich mit der Tätigkeit eines psycho-realistischen Identitekten umschreiben. Seit 2009 entwirft er ein wachsendes, multigenerationales Set an konstruierten Persönlichkeiten, Avataras und SelbstSchwestern. Als von Raether personifizierte Wesen treten sie in Installationen, im öffentlichen Raum, in Waschsalons, am Times Square, bei Ikea oder am Brandenburger Tor in Berlin in Erscheinung. Sie gehen auf Forschungsreisen nach Indien, Island oder Schottland und laden regelmäßig zu techno-magischen Ritualen ein.
Die einzelnen Identitäten dieser Identitektur bilden jeweils eigene Forschungs- einheiten: Transformellae – Königinnen der Trümmer beleuchten die Zukunft globalisierter und industrialisierter Formen der menschlichen Fortpflanzung und deren Beziehung zur kapitalistischen Produktion in Zeiten künstlicher Befruchtung, Präimplantationsdiagnostik und Leihmutterschaft. Das Schwarmwesen der infizierten Metropolen sucht Orte sich überkreuzender migrantischer und touristischer Bewegungen auf, um Spuren einer transnationalen Körperzirkulation und ortlose „Souvenirs“ zu sammeln. Die schlumpfartigen Weltheilungshexen Protektoramae attackieren das gespenstische Imperium kapitalistischer Produktionsverhältnisse in Zeiten gigantischer Warenströme.
Protekto.x.x 5.5.5.1 Precipitation, der Titel von Raethers Einzelausstellung im Kunstverein, ist gleichzeitig der Name einer weiteren seiner Dragcharaktere aus der Lebenslinie der Weltheilungshexen. Die zentrale These der Hexen ist, dass die Menschheit von den abstrakten Prinzipien des Kapitals besessen ist und sich zu einer Prothese ihrer eigenen Kommunikationsgeräte entwickelt hat. Wie bereits ihre Vorgängerin Protektorama verhandelt und analysiert Protekto.x.x das Verhältnis des menschlichen Körpers zu Screens und Displays und adressiert die Materialität, Herstellungsprozesse und Produktionsstätten zeitgenössischer Informationstechnologien. Einem größeren Publikum bekannt wurde Protekto.x.x im Juli 2016 als ihr rituelles Forschungsmanöver im Apple Store Berlin zu einem Polizeieinsatz und reißerischer medialer Berichterstattung führte. Den Teilnehmer_innen wurde vorab ein Ring aus dem Technologiemetall Gallium überreicht, der sich im Laufe dieses moderierten, techno-alchemischen Rituals im Shop verflüssigte. Gallium ist für diese Hexe ein wichtiges Material, da es bei Körpertemperatur schmilzt, jedoch für die auf Kohlenstoff basierenden Hände der Menschen ungefährlich ist. Aluminium hingegen, aus welchem die Oberflächen und Skelette von Handys, Tablets und Computern konstruiert sind, wird von diesem Schwesternmetall zersetzt.
Für seine Ausstellung im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen überführt Raether diese Erscheinung seiner Weltheilungshexe in ein komplexes, skulptural-räumliches Ensemble – eine Fortentwicklung seines Beitrags für die Gruppenausstellung der diesjährigen Transmediale in Berlin. Über eine Audiospur werden die Besucher_innen in die Forschungsfelder und kritischen Sprachfindungen der Hexe eingeführt und dabei selbst zu Teilnehmer_innen dieses technophilosophischen Rituals. Die unverkennbare Apple-Store-Ästhetik der Präsentation wird von geschmolzenem Gallium, metallurgisch recycelten Geräten und verwaisten Hexenutensilien durchkreuzt. Zusammen mit den abhörbaren Sprachsequenzen von Protekto.x.x kreieren sie einen gemeinschaftlichen Kosmos, in dem die Apple- Produkte als archäologische Relikte einer entfernten Vergangenheit erscheinen.
Zur Museumseite: Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen
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