Die Künstlerkneipe DAS GREGOR SAMSA und die fränkische Boheme aus dem Geist der 1960er Jahre
Laufzeit: 02. Oktober 2015 bis 08. November 2015
Mit 11 Teilnehmer/innen ist das eine umfassende Ausstellung, das ist ein Risiko, das bei allen Themen-Ausstellungen besteht. Der einzelne Beitrag schrumpft da leicht zum Mosaik-Stein im Gesamt-Bild, die Einzel-Werk-Inhalte treten in den Hintergrund und - im positiven Fall - da verlieren sie sich gemeinsam in der Unwirklichkeit, in einer Idee, in einem Traum.
Letzteres ist hier unsere Absicht. Der Traum bzw die Idee, um die es in dieser Ausstellung gehen soll, ist keines der mehr oder weniger geläufigen künstlerischen Themen, es ist in bestimmter Hinsicht die Kunst selber, eine Manifestation der Fähigkeit, das Widersprüchliche, das Verschiedene, das Sich-Fremde zusammenzuführen und zu versöhnen.
Die Aura des Verbundenseins im Unterschiedlichen und die höchste Kunst, dies zu bewerkstelligen, die Über-Kunst und das, was ihr glückt, sind der eigentliche Ausstellungs-Gegenstand, der hier Form bekommen soll. Ein schönes Ziel, das es vielleicht annehmbar macht, dass in meiner nun folgenden Besprechung die künstlerischen Einzel-Positionen weitgehend unberücksichtigt bleiben zugunsten des Magneten, der das Ganze im Kraftstrom zusammenhält. Die orts- und zeitspezifische Eigenart der magnetischen Kraft, die hier das Thema ist, werden wir im Laufe meiner Darstellung näher kennenlernen.
Kommen wir zur Sache: Mit dieser Ausstellung beziehen wir uns auf Aktivitäten, die neben dem schöpferischen Akt unabdingbar für den Kunstbetrieb sind und die wir im letzten Jahr schließlich auch selber zum Thema gemacht haben.
Es geht um den Kunstbetrieb und seine Organe selber, um das Netzwerk seiner Institutionen, aus deren Zusammenwirken das Ding hervorgeht, das Kunst genannt wird. Ein Ding mit einer erstaunlichen Zauberkraft, die z.B. aus einem Urinal das wichtigste künstlerische Objekt des 20 Jahrhunderts gemacht hat.
Dem Strömen dieser Zauberkraft und einigen ihrer Transformator-Einrichtungen sind wir bereits nachgegangen, diesmal vermischt sich besagte Zauberkraft mit dem Strömen alkoholischer Getränke.
Unter Institutionen des Kunstbetriebs versteht man landläufig Dinge wie die Galerie, die Kunstkritik, den Sammler. Und das Informieren über Beispiele dieser Art aus dem oberpfälzisch-fränkischen Raum gehört seit längerem ins Programm des Kunstverein Weiden.
Mit seiner aktuellen Ausstellung „Das Gregor Samsa und die fränkische Boheme aus dem Geist der 1960er Jahre“ aber warten wir mit einer Einrichtung auf, die kein Essential des Kunstbetriebs ist. Aber wenn es dieses Un-Essential gibt, dann kann es absolut essentiell werden. In Nürnberg gibt es so eines.
Gemeint ist die Künstlerkneipe. Und hier ist speziell das Gregor Samsa im Norden Nürnbergs ein Fall, der unserer Ansicht nach besondere Aufmerksamkeit verdient.
Anfang der 1970er Jahre wurde es gegründet. Die Gründer-Väter waren: Franz Gregor Hiltner, Lionel van der Meylen und Klaus Schlesinger.
Makrokosmisch war das unter den Zeichen des gesellschaftlichen Umbruchs durch die weltweite Studenten- und Jugendbewegung, in der Endphase des Stellvertreter-Krieges, den die Supermächte Russland und Amerika in Vietnam führten, er dauerte bis 1975 und war einer der Gründe, die in Deutschland zur Gründung einer außerparlamentarischen Opposition führten
Das Gregor Samsa, dessen Name sich auf die Erzählung „ Die Verwandlung“ von Franz Kafka bezieht, wurde als literarisches Cafe gegründet, das sich dann über drei Jahrzehnte zum Mikrokosmos einer fränkischen Boheme entwickelte, die von Nah und Fern Freigeister aus allen sozialen Schichten anlockte und integrierte.
Auch heute noch hat es ein ähnlich gelagertes Publikum, das außerdem gutes, erfinderisch bereitetes Gulasch und ein Ambiente mit starker, eigener Atmosphäre zu schätzen weiß.
Die Künstlerschaft, die hier ihr Zuhause fand, teilweise in den Dachräumen wohnte, musikalisch vor allem dem Blues huldigte, umfasste alle künstlerischen Sparten und war aber, als alles anfing, ein gutes Jahrzehnt lang vor allem damit beschäftigt, die Grenzen des herkömmlichen comme-il-faut zu sprengen bzw im Zeichen des Saturn „Die Sau rauszulassen“ und einem außerparlamentarischen Hedonismus zu frönen.
Zur Museumseite: Kunstverein Weiden
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