Aus Berlin - Zehn zeitgenössische künstlerische Positionen
Laufzeit: 26. Februar 2012 bis 22. April 2012
Zehn zeitgenössische künstlerische Positionen bieten einen Einblick in figürlich-realistische Malerei aus Berliner Ateliers. Auf ganz unterschiedliche Weise fragen die knapp 150 Werke nach Welt und Wirklichkeit, nach den Verknüpfungen von Körperlichkeit und Bedeutung, nach der künstlerischen Konstruktion von Realität.
Dabei entstehen Kunstwerke, die mit hoher malerischer Präsenz und zum Teil altmeisterlicher Kunstfertigkeit den Betrachter fesseln. Zugleich werfen sie mit einer gewissen Distanziertheit und oft hintergründigen Ironie existentielle Fragen auf. Gerade wenn der Bildwitz auch die Groteske nicht scheut, gerade wenn ein schonungsloses Hinschauen auch Gewalt, Leid, Obsession nicht ausblendet, gerade in dieser Wendung auf die Realitäten hinter den Oberflächen entstehen intensive Momente künstlerischer Auseinandersetzung.
Die Konsequenz, mit der Pavel Feinstein, Johannes Grützke, Johannes Heisig, Lilli Hill, Torsten Holtz, Andreas Leißner, Bettina Moras, Heike Ruschmeyer, Michael Sowa und Volker Stelzmann ihre Sichten und Interpretationen der Wirklichkeit verfolgen, ermöglicht dem Betrachter ein Eintauchen in ein vielschichtiges Panorama von Gefühlen und Welt-bezügen.
Die Ausstellung verfolgt das seit einigen Jahren vermehrte Interesse an realistischer Kunst durch eine Zusammenstellung von Arbeiten von bekannten Künstlern, aber auch Newcomern aus Ost und West.
Bei den Gemälden Johannes Grützkes führen oft diagonal angelegte Sichtachsen hinein in Bildarchitekturen, die wie aufgetürmt erscheinen aus wuchtigen, in einer gewissen farbigen Weichheit der Oberflächen malerisch aufgefassten Körperlichkeiten. Während stilisierte Alltagsszenen und Porträts inhaltlich in ihrer manchmal schonungslosen Ehrlichkeit und der Betonung von Dissonanzen an die sowohl großartigen als auch erschreckenden Sittenbilder der Zwanziger Jahre in Berlin erinnern können, beziehen sie ihre Wirkung mindestens ebenso sehr aus ihrer ironischen Gebrochenheit wie aus der malerischen Brillanz und Virtuosität ihrer Ausführung. Der 1937 in Berlin geborene Grützke, der 1973 die sog. "Schule der neuen Prächtigkeit" in Berlin mitbegründete und u.a. durch Aufträge zur monumentalen Darstellung von Themen der deutschen Geschichte bekannt wurde, wird mittlerweile zum Urgestein des modernen "Berliner Realismus" gezählt.
Wie bei Grützke erscheinen auch in einzelnen Werken Pavel Feinsteins Affen und andere Tierfiguren als Spiegelbilder menschlicher Existenz. Feinstein, 1960 in Moskau geboren, erlernte dort ursprünglich seinen Malstil und ist bis heute stark von altmeisterlichen Darstellungsweisen geprägt. Seine visuelle Überzeugungskraft lässt dem Betrachter die dargestellten Motive trotz ihres zum hohen Teil hohen Absurditätsgrades und ihrer hintersinnigen Komik mit der gleichen Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit wahrnehmen, wie sich auch in Träumen widersinnigste Dinge zueinander fügen. Schon 2010 hatte das Osthaus Museum dem Künstler mit russisch-jüdischen Wurzeln eine Einzelausstellung ausgerichtet. In der aktuellen Ausstellung begegnet das Publikum nun vermehrt Feinsteins Dialogen mit den Größen der Kunstgeschichte, insbesondere in Form von Figurenzitaten aus Werken von Diego Velazquez.
Während bei Feinstein sich Irritationen durch das Bildgeschehen auf einer eher subtilen Ebene einstellen, wirken die Werke Heike Ruschmeyers (geb. 1956) auf den ersten Blick schockierend, aufwühlend, peinigend. Ihre Darstellungen toter Kinder sind jedoch weit entfernt von den skandalisierenden Medienpraxen unserer Zeit. Ruschmeyers Arbeiten geben dem Geschehen und damit dem Betrachter Zeit - und bringen so eine grundlegende Bedingung in Erinnerung, ohne die Umgangsformen wie Würde und die Anerkennung der Verletzlichkeit des Menschen nicht möglich sind. Während die Künstlerin ohne Pathos und auf eine reduzierte, fein nuancierte Weise ihre Gemälde von gewaltsam zu Tode gekommenen Menschen mit Hilfe von gerichtsmedizinischen Fotoaufnahmen anfertigt, kann man in ihnen einen bewussten Gegenpol zu der gesellschaftlichen Tabuisierung des Todes sehen. Ihre Werke definieren sich jedoch nicht nur durch die Motive, sondern erreichen als ästhetisch anspruchsvolle, in hochdifferenzierter Malweise gestaltete Kompositionen ihre künstlerische Intensität.
Katalog: Aus Berlin: Pavel Feinstein, Johannes Grützke, Johannes Heisig, Lilli Hill, Torsten Holtz, Andreas Leißner, Bettina Moras, Heike Ruschmeyer, Michael Sowa und Volker Stelzmann (Verlag Seltmann und Söhne, 142 Seiten, 105 farbige Abb., Euro 19,80.
Zur Museumseite: Osthaus Museum Hagen
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