»Jud Süß« - Geschichte(n) einer Figur
Laufzeit: 07. Februar 2010 bis 18. April 2010
Der württembergische Hoffaktor Joseph Süß Oppenheimer (1698/99-1738) ist eine der bedeutendsten und ambivalentesten Persönlichkeiten der deutsch-jüdischen Geschichte. Durch Veit Harlans Film Jud Süß (1940) wurde die Figur in starkem Maße antisemitisch geprägt und für die nationalsozialistische Propaganda instrumentalisiert. Diese Aufladung der Figur »Jud Süß« bestimmt auch aktuelle Auseinandersetzungen über öffentliche Aufführungen des Films. Die Ausstellung wirft jedoch einen erweiterten Blick auf die Figur und die mit ihr verbundenen Vorstellungen.
Denn die Überlagerung von Fakten und Fiktion begann bereits zu Lebzeiten Joseph Süß Oppenheimers und wurde in einer Vielzahl von Darstellungen fortgeführt. Neben der Tradierung antisemitischer Stereotypen gab und gibt es immer auch den Versuch, die Rolle und das Handeln von »Jud Süß« mit einer positiven Lesart zu verbinden.
Aufgabe und Ziel der Ausstellung ist es, die Funktionsweise der Tradierung von Stereotypen am Beispiel Joseph Süß Oppenheimers aufzuzeigen. Ausgehend von der Lebensgeschichte Oppenheimers sollen die verschiedenen - antisemitischen aber auch positiven - Versuche der Aufladung der Figur entlang ihrer Rezeptionsgeschichte verfolgt und bis in die heutige Zeit hinein präsentiert werden. Absicht ist es, dem Besucher die Wirkungsmacht dieser antisemitischen Figur präsent und nachvollziehbar zu machen.
Die vielgestaltige Wirkungsgeschichte der Figur spiegelt sich in den vier Bereichen der Ausstellung wieder:
1. Der historische Joseph Süß Oppenheimer
Schon zu Lebzeiten gab man Joseph Süß Oppenheimer den herabsetzenden Namen »Jud Süß«. Zeitgenössische Texte und Bilder zeigen eine einseitige und stereotype Darstellung, bei der die spektakuläre Hinrichtung am Galgen eine zentrale Rolle spielt. Die historische Person jedoch ist nahezu unbekannt. Der Ausstellungsteil nimmt beide Seiten näher in den Blick: Die historischen Fakten und die Formen der Stereotypisierung, die die Person Joseph Süß Oppenheimer schnell zu der Figur »Jud Süß« werden ließen.
2. Die literarisch-historische Auseinandersetzung um »Jud Süß« bis in die 1920er Jahre
Bereits vor Veit Harlans Film wird die Figur des »Jud Süß« zum Ausgangspunkt einer Vielzahl künstlerischer Darstellungen, die die Legende lebendig hielten. Auch die Geschichtswissenschaft setzt sich mit dem Leben Joseph Süß Oppenheimers auseinander. Der Ausstellungsteil widmet sich diesen verschiedenen Darstellungsweisen, um zu zeigen, inwiefern die Figur des »Jud Süß« dadurch an Vielschichtigkeit gewinnen konnte.
3. Der Film Jud Süß von Veit Harlan (1940)
Jud Süß gilt als Inbegriff des antisemitischen Propagandafilms. Der Film hat entscheidenden Anteil an dem Zerrbild, welches bis heute die kollektiven Vorstellungen von der Figur »Jud Süß« prägt. Diejenigen, die nach 1945 den Spuren eines ›anderen‹ Joseph Süß Oppenheimer nachgehen wollen, müssen sich daher mit dem Film auseinandersetzen. Der Ausstellungsteil widmet sich der Entstehungsgeschichte, den beteiligten Akteuren, dem Inhalt und der Wirkung des Films. Auch der weitaus weniger bekannte Film Jew Suess (1934) von Lothar Mendes, der ein positives Bild Oppenheimers zeigen will, wird einbezogen.
4. »Jud Süß« Konflikte und Deutungen nach 1945
Die Nachkriegsprozesse und Boykottaktionen gegen Veit Harlan machen die Relevanz des Films bei der Auseinandersetzung mit der Figur des »Jud Süß« nach 1945 deutlich. Dass der Film Jud Süß heute nur unter Auflagen gezeigt werden kann und ihn nur wenige kennen, trägt auch zu der Dämonisierung der Figur bei. Daneben existieren jedoch ebenso Versuche, »Jud Süß« zu einer positiven Identifikationsfigur werden zu lassen und der durch den Film geprägten Vorstellungswelt ein anderes Bild entgegenzusetzen. Der Ausstellungsteil zeigt beide Seiten: Die Versuche einer Normalisierung und die fortbestehende Skandalisierung, die die aktuellen Auseinandersetzung mit »Jud Süß« kennzeichnen.
Ab Sonntag, den 21.02. jeden Sonntag um 15:00 Uhr: Führung durch die Sonderausstellung
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