Kunststoff-Welten. Aufbruch in die Plastikzeit
Laufzeit: 20. September 2009 bis 21. Januar 2010
Während Uwe Seeler und Franz Beckenbauer bei Dauerregen noch damit kämpfen mussten, dass das Leder sich mit Wasser voll saugte und immer schwerer wurde, brauchen sich Lukas Podolski, Bastian Schweinsteiger und Co. zumindest darüber keine Sorgen mehr zu machen, denn ihr Fußball besteht längst nicht mehr aus Leder, sondern aus geschäumtem Polyurethan. Es ist schwierig, sich die heutige Welt ohne Kunststoffe vorzustellen. Sie gehören wie selbstverständlich zu unserem Alltag. Die Mineralwasserflasche besteht aus PET (Polyethylenterephthalat ), der Joghurtbecher aus Polystyrol, die Computertastatur aus ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), die CD aus Polycarbonat.
Die Ausstellung im Historischen Museum Saar zeichnet mit vielen Alltagsgegenständen, aber auch mit seltenen Designobjekten die Geschichte der Kunststoffe nach. Dabei werden nicht nur die besonderen Eigenschaften, die Vor- und Nachteile der einzelnen Werkstoffe deutlich. Es wird auch aufgezeigt, wie sich unser Alltag durch die neuen Materialien verändert hat.
Fast alle Exponate stammen aus der einzigartigen Sammlung des Kunststoff-Museumsvereins Düsseldorf. Mit einer Spritzgussmaschine aus den 1960er Jahren wird in der Ausstellung das bis heute wichtigste Verfahren zur Herstellung geformter Kunststoffteile vorgeführt.
Der eigentliche Siegeszug der Kunststoffe begann schon vor etwas mehr als 140 Jahren:
Als die Firma Phelan & Collender 1865 eine Prämie von 10.000 $ in Gold für die Erfindung eines Ersatzstoffes für Billardkugeln aus dem immer knapper und teurer werdenden Elfenbein aussetzte, beteiligte sich auch der Druckerlehrling John Wesley Hyatt. Zwar gewann er den Preis nicht, denn er bot seine Kugeln der Firma niemals an. Stattdessen erfand er das erste Thermoplast, den Kunststoff Celluloid und leitete damit das Plastikzeitalter ein. Der neue Werkstoff ließ sich gießen, schneiden, biegen, stempeln, in Scheiben zertrennen und bot dem Auge eine fast perfekte Nachahmung von Elfenbein, Ebenholz, Horn, Schildpatt, Perlmutt oder Koralle. Ohne Hyatt`s Erfindung wäre später auch die Filmfabrik in Hollywood nicht entstanden.
In den folgenden Jahrzehnten wurden immer neue Kunststoffe erfunden: Leo Hendrick Baekeland entwickelte mit Bakelit den ersten vollsynthetischen Kunststoff, der sich als Isoliermaterial in der Elektroindustrie eignete und die Massenproduktion von Radiogeräten ermöglichte.
Wallace Hume Carother`s Nylon (1935) löste einen regelrechten Boom aus. Als 1940 ein erstes Kontingent von Nylonstrümpfen in New York auf den Markt kam, wurden in wenigen Stunden 4 Millionen Paar verkauft. Bis weit in die 1950er Jahre waren Strümpfe aus Nylon oder aus dem von Paul Schlack 1930 in Deutschland erfundenen Perlon gefragte Luxusgüter.
Karl Waldemar Zieglers Polyetylen kam in Form von Eimern, Schüsseln, Wannen und Tupperware in die Wohnungen und ermöglichte den Siegeszug des Hula-Hoop-Reifens.
Diese und viele andere Kunststoffprodukte und ihre Erfinder werden in der Ausstellung vorgestellt.
Die eigentliche Plastikzeit im engeren Sinne waren die 1950er und 1960er Jahre. Damals wurde Plastik mit Modernität und Zukunft assoziiert. Die Crew des legendären schnellen Raumkreuzers Orion versah ihren Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit in einer Raumkapsel aus Kunststoff und auch die amerikanische Serie Star Trek wäre ohne Kunststoffkulissen nicht möglich gewesen. Andererseits beflügelte die Begeisterung für Science Fiction aber auch die Phantasie der Designer. Durch Möbel aus Plastik wurden die Wohnungen bunter und die Formbarkeit des Materials machte Designikonen wie den berühmten Panton-Chair erst möglich.
Die Euphorie endete mit der Ölkrise 1973. Jute statt Plastik war nun ein weit verbreitetes Motto. Die nicht verrottenden Kunststoffe wurden generell als umweltschädlich abgelehnt.
Heute spielen Kunststoffe eine immer wichtigere Rolle, im Sport, in der Technik, in der modernen Medizin und als Dämmmaterialien für Niedrigenergiehäuser. Der Anteil der Kunststoffe im Automobil- und Flugzeugbau nimmt stetig zu. Das Material bietet mehr Sicherheit, ist leichter und trägt somit auch dazu bei, den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren.
Dem Thema Kunststoffrecycling und Recyclingdesign ist in der Ausstellung ein eigener Bereich gewidmet. Im Rahmen des Begleitprogramms bietet das Museum neben Führungen auch Workshops an, bei denen Recyclingmaterial zu Schmuck oder Geldbörsen verarbeitet wird.
Zur Museumseite: Historisches Museum Saar
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