Württembergs Künstlerkolonie
Genremaler im Trachtendorf Betzingen
Laufzeit: 24. November 2007 bis 24. Februar 2008
Betzingen ist als die früheste Künstlerkolonie Württembergs neu zu entdecken. Bereits in den
1840er Jahren reisten die ersten Maler aus Stuttgart
und München in das Bauern- und Weberdorf, um die dortige Tracht als reizvolles Motiv für die beliebten Genrebilder festzuhalten. Im Königreich Württemberg wurde die farbenfrohe Betzinger Tracht als eine Art Nationalkostüm staatlich gefördert. Von 1860 bis
1890 erlebte die Künstlerkolonie ihre Blütezeit. Aus Düsseldorf, Berlin, München und Frankfurt, aber
auch aus dem Ausland kamen Maler ins Dorf.
Unter den über 60 nachweisbaren Künstlern sind bekannte Namen wie Louis Braun, Jacob Grünen-
wald, Robert W. Heck, Albert Kappis, Paul W. Keller, Theodor Schüz, Johannes Sperl, Benjamin Vautier.
Ihre Gemälde schildern ein einfaches Landleben voller Harmonie und Beständigkeit. Es sind poetisch verklärte, im Detail jedoch ethnografische Blicke auf eine längst verschwundene Zeit.
Betzingen ist als die früheste Künstlerkolonie Württembergs zu entdecken. Im 19. Jahrhundert lockte das bei Reutlingen gelegene Bauern- und Weberdorf als Perle der schwäbischen Trachtendörfer Maler aus allen wichtigen Kunstzentren zu Studienreisen in den Süden. Die Betzinger Tracht, im Königreich Württemberg als eine Art Nationaltracht auch von staatlicher Seite gefördert, stellte mit ihren farbenfrohen, prägnanten Varianten ein reizvolles Motiv für die beliebten Genrebilder vom Landleben dar.
Populär wurde die Betzinger Tracht im Zeitalter der Romantik zunächst durch grafische Illustrationen in Kalendern und Landesbeschreibungen. Bald interessierten sich auch die Maler für diese besondere württembergische Volkstracht. Bereits 1844 kam aus München der Künstler Kaspar Kaltenmoser als einer der ersten nach Betzingen. Die vor Ort gefertigten Skizzen verarbeitete er beispielsweise zum biedermeierlich geprägten Gemälde Schwäbische Familienszene in Betzinger Tracht (1863), das zu seinen Meisterwerken zählt. Zur zentralen Figur in der Geschichte der Künstlerkolonie wurde der Stuttgarter Robert Wilhelm Heck, der bedeutendste Genremaler Württembergs. Mit wiederholten Studienaufenthalten festigte er den Ruf des schwäbischen Dorfes als überregional beliebtem Künstlerort. In seinen Hauptwerken wie den Schwäbischen Landleuten in einer Stadtkirche (1862) und Am Hochzeitsmorgen (1870) zeigte Heck mit einem ebenso detailgenauen wie idealisierenden Malstil ein Landleben voll Traditionalität und Frömmigkeit.
Seine Blütezeit erlebte der Künstlerort Betzingen nach dem Eisenbahnanschluss 1861 bis in die 1890er Jahre. Nun reisten Maler von den Akademien aus Düsseldorf, München, Berlin und Frankfurt, aber auch dem Ausland in das Dorf im Echaztal. Unter den über 60 nachweisbaren Künstlern finden sich bekannte Namen wie Anton Braith, Theodor Schüz, Jakob Grünenwald, Johannes Sperl und Benjamin Vautier.
Auf dem Höhepunkt des Industriezeitalters erzählten die ländlichen Genrebilder von der Sehnsucht nach einer anderen, einer poetisch Welt. Motive wie Liebespaare, Hochzeiten, Spinnstuben, Sonntagsspaziergänge und häusliche Familienszenen spiegelten ein einfaches Landleben voller Glück, Harmonie und Beständigkeit vor. Nostalgisch verklärt zeigen die Gemälde, die beim bürgerlichen Kunstpublikum äußerst populär waren, im Detail dennoch ethnografische Blicke auf eine bäuerliche Existenz. Heute sind sie besondere Bildzeugnisse der längst vergangenen traditionellen Agrargesellschaft.
Das Heimatmuseum Reutlingen gibt mit über 40 Gemälden und Aquarellen sowie zahlreichen Skizzen erstmalig einen repräsentativen Überblick über den einzigartigen Künstlerort Betzingen. Die eigenen Bestände werden ergänzt durch Leihgaben der Nationalgalerie Berlin, der Staatsgalerie Stuttgart, der Stiftung für Kunst und Kultur Winterthur, dem Stadtmuseum Horb und durch Gemälde aus Privatbesitz. Ein spannendes Phänomen in der württembergischen Kunst- und Kulturgeschichte wird sichtbar: Wie Künstler das Dorf Betzingen und seine Tracht deutschlandweit als unverwechselbare Sinnbilder für schwäbisches Landleben bekannt machten.
Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein Katalog
Zur Museumseite: Heimatmuseum
Sie wollen Änderungen oder Ergänzungen zu Heimatmuseum mitteilen?
Ausstellung melden Ausstellungsbild senden Museumsbild senden Andere Änderungen 10 Highlights zeigen