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Wie kaum einem anderen kulturhistorischen Gegenstand wohnt gerade den Zeugnissen der populären Druckgrafik aus dem 18. und 19. Jahrhundert eine über diese Epochen hinausreichende kulturelle und gesellschaftliche Relevanz inne.
Denn die Heiligen- und Bibelbilder, die Bilderbogen und die Freundschafts- und Glückwunschbillets, die Guckkastenstücke, der Wandschmuck sowie die Ausschneidebogen künden in dichtester Weise von Wertvorstellungen und Weltanschauungen vergangener Zeiten, die aber vielfach noch heute gültig sind.
Zudem entstanden viele Objekte in der Phase, als sich das bürgerliche Leitbild der Familie und die Geschlechterrollen, wie wir sie noch heute kennen, ausprägten. Und gerade die Freundschaftsbillets entwickelten sich erst, als sich in Deutschland das Bürgertum ins Private zurückzog. Aus Enttäuschung über die versagten politischen Rechte, die die Fürsten den Bürgern nach dem Sieg über Napoleon entgegen ihren Zusagen vorenthielten, begann man die Familie als Ort des Rückzugs zu pflegen und die Beziehungen zu emotionalisieren. Auch wurden die Kontakte zu anderen Bürgern aufgewertet. Daher schenkte man sich als Liebes- und Freundschaftsmanifestationen die Kärtchen mit entsprechenden Symbolen und Reimen. In ihnen fokussiert sich also die kulturelle und historische Entwicklung unserer Gesellschaft.
Ferner sind die Grafiken mit Darstellungen von Ereignissen, rührseligen Geschichten und Porträts der königlichen Familien die Vorläufer der Illustrierten. Und die zahlreichen Bilderbogen mit ihren Geschichten lassen die Vorläuferschaft zu den heutigen Comics erkennen.
Dass die Zeugnisse der populären Druckgrafik in einer so großen Auswahl gezeigt werden können, ist Dr. Irmgard Feldhaus zu verdanken. Als ehemalige Leiterin des Clemens-Sels-Museums hat sie einen mehr als 5000 Objekte umfassenden Bestand aufgebaut, den sie im Jahr 2006 der Stadt Neuss übereignete.
Ihre Heimat findet die Sammlung nun in einem eigenen Museum als Dependance des Clemens-Sels-Museums im Kulturraum Hombroich. Dabei ist das Gebäude, in dem sich Feld-Haus Museum für populäre Druckgrafik befindet, selbst ein kulturelles Zeugnis, das Per Kirkeby als Architekturskulptur entwarf.