Lexikon
Handwörterbuch der Textilkunde aller Zeiten und Völker für Studierende, Fabrikanten, Kaufleute, Sammler und Zeichner der Gewebe, Stickereien, Spitzen, Teppiche und dergl., sowie für Schule und Haus, bearbeitet von Max Heiden, Stuttgart 1904
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Distel
Distel, fast jede stachlige oder dornige Pflanze, vorzugsweise solche, welche kopfartige Blütenstände haben und deren Blütenhüllen aus dornig endigenden Hüllblättchen bestehen, sämtlich zur Familie der Kompositen gehörig (Abb. 56 u. 57.) Als Kunstform erscheint die Distel zuerst im gotischen Zeitalter (s. d.) gleichzeitig mit dem Granatapfel (s. d.) und es hat den Anschein, dass in den Stoffmustern jener Zeit beide Motive nebeneinander zur Verwendung gelangten; während aber am Ende des 15. Jahrh. der Granatapfel allmählich verschwindet, geht die Distel noch in die Renaissance über (vgl. Abb. 58) und findet in Italien und
Spanien für Kleiderstoffmuster Aufnahme. Der Uebergang dieser Blatt- und Blütenform in das 16. Jahrh. ist augenscheinlich auf die Aehnlichkeit des krausen Blattwerkes mit denen des
Acanthus (s. d.) zurückzuführen. In neuerer Zeit ist die D. durch England wieder für die Textilkunst als Kunstform nutzbar gemacht worden.
Abb. 56 Distelstaude nach einem Holzschnitt aus: Lobelius, plantarum sev stirpium iconen, Antwerpen 1581.
Abb. 57 Distelstaude aus demselben Werk.
Abb. 58 Originalaufnahme aus dem Kgl. Landesgewerbemuseuin in Stuttgart: Sammetbrokat, Grund gelb, mit etwas Goldlahn durchwirkt, symmetrisches Muster rot, geschnitten und ungeschnitten: Bänder, durch Knäufe verbunden, bilden spitzovale Felder, in welchen stilisierte Distelblüte mit Blattwerk. Spanien Ende 16. Jahrh.