Lexikon

Handwörterbuch der Textilkunde aller Zeiten und Völker für Studierende, Fabrikanten, Kaufleute, Sammler und Zeichner der Gewebe, Stickereien, Spitzen, Teppiche und dergl., sowie für Schule und Haus, bearbeitet von Max Heiden, Stuttgart 1904

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Eintrag: Leinengarn
Leinengarn. Der aus der Faser des Flachses gesponnene Faden wird Flachsgarn, häufiger Leinengarn genannt; bei den daraus gefertigten Geweben hingegen greift die Bezeichnung Leinen ausschliesslich Platz. "Während in alter Zeit die Anfertigung des L. aus Flachs vornehmlich Gegen­stand der Hausindustrie war und der Flachs durch Handarbeit zu Garn ver­sponnen wurde, ist dieser Industriezweig gegenwärtig ganz in den Hinter­grund getreten und wird L. sowie Gewebe aus demselben jetzt meistens unter Anwendung von Maschinen hergestellt. Die Handspinnerei auf dem Bade wird in den Webereidistrikten z. Z . noch gewerbsmässig von den armen Familien betrieben und die Garne werden entweder durch Aufkäufer gesammelt und den Webereien übermittelt, oder, wie namentlich in Böhmen, an bestimmten Plätzen (Trautenau) zu Markte gebracht. Die Verspinnung des Flachses auf Maschinen nahm schon im Anfänge des 19. Jahrh . in England ihren Anfang, indessen hat man erst seit etwa 50Jahren damit befriedigende Erfolge erzielt, wozu die Engländer in der Ausbildung der dazu erforderlichen Hilfsmittel am meisten beigetragen haben. Es bestehen zwischen Maschinen- und Hand­gespinst wesentliche Unterschiede, indem jede der beiden Arten ihre be­sonderen Vorzüge und Mängel hat, welche für die Verwendung massgebend sind. Nicht durch die Preisverschiedenheit hat ersteres das letzte verdrängt,
sondern durch die grössere Gleichmässigkeit des Fadens. Derselbe ist beim Maschinengarn immer gleichmässig voll und gerundet, das Handgarn dagegen häufig stellenweise dünner oder dicker, kantig und nicht frei von Knötchen. Dagegen ist es weit glatter als jenes, was durch hervorstehende feine Härchen rauh und wollig erscheint. Hiernach besonders unterscheiden sich beide Arten von Garnen. Das fadengleiche Maschinengarn wird überall dort angewendet, wo auf seine Eigenschaft etwas ankommt, oder bei Zwirn, glatten Bändern und Leinen. Die Gewebe daraus entbehren aber des eigentümlichen Leinen­glanzes, sie erscheinen nach der Bleiche rauh und reiben sich beim Tragen noch wolliger, unterliegen daher auch schneller der Abnützung. Wenn also der Leinenglanz (d. i. der sogen. Spiegel) zur Geltung kommen soll, ist das Handgarn nicht zu verdrängen. Es kann sich überhaupt um so eher gegen die Maschine behaupten, je besser gesponnen wird. — Die Leinengarne werden je nach ihrer Bestimmung, ob sie zum Verweben oder zu Zwirnen dienen sollen, schon beim Spinnen verschieden fest gedreht. Das Kettgarn erhält mehr Drehung als das mehr lockere Schussgarn; das zu Zwirn bestimmte wird ebenfalls weniger fest gesponnen. — Leinenzwirn entsteht durch Zusammen­drehen von 2, 3 oder 4 einzelnen Garnfäden zu einem ganzen; und zwar ge­schieht diese Drehung entgegengesetzt derjenigen, unter welcher das Garn entstand. Das Zwirnen erfolgt auf Zwirnrädern oder zusammengesetzten Zwirn­maschinen, die in der Konstruktion Aehnlichkeit mit einer Water Spinnmaschine haben. Berühmt sind die belgischen Zwirne, die zu den vorzüglich feinen Spitzen dienen. Von solcher Ware wird das Kilo bis zu 1700 Mark bezahlt.
Englische und schottische Zwirne sind besonders fest und von schönem Aus­sehen. Auch Frankreich liefert gute Sorten, u. a. den Liller Glanzzwirn In Böhmen, Mähren, Sachsen werden gleichfalls gute Zwirne gefertigt. — (S. a. Garn und Garnsorten )