Ananasmuster haben infolge des spitzovalen rautenförmig gerippten Fruchtkolbens mit dem oben auswachsenden Blattbüschel in ornamentaler Auffassung etwas Verwandtes mit den aus Pinienzapfen, Granatäpfeln und Distelblütenköpfen gebildeten Stofimustern des gotischen Zeitalters. Alle diese botanischen Motive haben aber eher eine künstlerische Verwertung gefunden, als das Ananasgewächs welches allein in
Amerika seine Heimat hat (s. Abb. 18).
Das erste Erscheinen desselben in Europa fällt in die Zeit, wo in Gewändern und Tapetenstoffen das sogenannte
Granatapfelmuster (s. d.) in Italien und
Spanien zu voller Entfaltung gelangt ist und schon anfängt sich von dem ursprünglichen Grundmotiv zu entfernen, bis es allmählich übergeht in Blüten-formen, wofür uns die sichere botanische Bezeichnung fehlt. Bei dieser Umgestaltung eines allgemein herrschenden palmettenartigen Blütenmotivs, dem wir besonders in italienischen und spanischen Stoffmustern begegnen und das
dort bis spät in das 17. Jahrb. die verschiedenartigsten Wandlungen durchmacht, scheint der Körper derA nanasfrucht in geschlossenem und offenem Zustande von bedeutendem Einfluss gewesen zu sein (s. Abb. 19). In Frankreich am setzt die eigentliche fruchtbringende Tätigkeit der Prachtweberei erst Ende des 15. Jahrh. ein man ist also bei den Entwürfen der folgenden Stoffmuster frei von Ueberlieferungen alter eigener Kunstformen.. Daher sehen wir den französischen Zeichner die ihm über
Holland zugehenden tropischen Pflanzen in ihrer möglichst natürlichen Erscheinung für die Fläche nutzbar machen, wobei selbst der schwere Ananaskolben als neigendes Glied eines grossen palmettenförmigen Strausses dem typisch gewordenen Barockmuster in getreuer Wiedergabe nicht fehlt (s. Abb. 20).
Abb. 18 Ananaspflanze nach einer Darstellung aus: lllustriertes Gartenbaulexikon, begründet von Th. Rümpler, Berlin 1902.
Abb. 19 Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbe-Museum in Stuttgart: Halbseidenstoff, Grund blassrot, symmetrisches Muster gelblich und weiss: Blattgewinde, durch Knäufe verbunden, bilden spitzovale Felder, in welchen je eine grosse palmettenförmige Blüte. Italien, 17. Jahrhundert.
Abb. 20 Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbe-Museum in Stuttgart: Borte eines Frauenkleides, Grund dichter, roter, geschnittener Sammet, symmetrisches Muster aus gezogenen Goldfäden: Spitzengehänge, welche nach oben den Bogenabschluss der Borte bilden, umschliessen auf wechselnd gemustertem Grunde palmettenartige Blütensträusse, in denen der Ananas besonders vorherrschend ist. Frankreich, Ende 17. Jahrhundert.