Assyrien und Babylon haben keine Originalproben von Stoffen hinterlassen; doch legen die Trümmerfunde des alten Niniveh (zerstört 606 v. Chr.) Zeugnis ab von der textilen Kunstfertigkeit seiner früheren Bewohner. Die dort seit 1840 durch Botta, Layard, Ojopert, Smith u. a. wieder aufgedeckten Alabasterplatten dienten als Wandbelag der Tempel und sind zum grossen Teil getreue Nachahmungen schwerer Stoffbehänge und Teppiche, wie sie bei festlichen Einzügen als Schmuck der Hallen Verwendung gefunden hatten. Oder, wie Gottfried Semper (der
Stil u. s. w. München 1878. S. 323) darüber bemerkt: "Zur Verewigung denkwürdiger Siegesfeste wurden jene Gelegenheitsdekorationen in den Steinstil umgewandelt." Diese Platten zeigen in flachem Belief und farbiger Bemalung Darstellungen von Figuren: sie vergegenwärtigen Szenen aus dem Leben der Könige und Taten der Jagd- und Kriegshelden (s. Abb. 27). Alle Personen erscheinen in langen, festanliegenden, wenig gefältelten, reich gemusterten und befransten Gewändern (s. Abb. 28), die erkennen lassen, dass man es jedenfalls mit solchen aus schweren und mit Borten (s. Abb. 29) in Gold gestickten Stoffen zu tun hat.
Auch Teppichmuster (s. Abb. 30) mit geometrischer Felderteilung lassen sich nach eingemeisselten Darstellungen rekonstruieren.
Alle die uns hierdurch bekannt gewordenen assyrisch-babylonischen Kunstformen: der Cherub, der heilige Baum (s. Abb. 31), der Granatapfel, die Palmette (s. d.) sind von besonderer Bedeutung sie geben den Ausgangspunkt für die Entwickelung der meisten späteren Stilarten, woran die Textilkunst den grössten Anteil hat.
Abb. 29 Borte von der Gewandfigur eines assyrischen Reliefs nach einer Darstellung aus: Fischbach, Ursprung der Buchstaben Gutenbergs, Mainz 1900. Tafel. II, Fig. 13.
Abb. 30 Assyrisches Teppiclamuster, mit Rand und Füllungen aus Lotospalmetten, nach einer Darstellung aus Semper, Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten; München 1878. S. 51
Abb. 31 Assyrischer Baum nach einer Darstellung aus: Fischbach, Ursprung der Buchstaben Gutenbergs, Mainz 1900. Tafel II, Fig. 15.