Stoffprüfungen sind für ältere Textilien hinsichtlich ihrer Herkunft oft von besonderer Wichtigkeit, für moderne Erzeugnisse sind sie dem gewissenhaften Kaufmann, namentlich zur Beurteilung der gemischten Gewebe, unentbehrlich; sie finden durch das Mikroskop oder durch chemische Reagentien statt.
Die Leinenfaser (Abb. 90) charakterisiert sich durch ihre walzenförmige, niemals platte oder stark um sich selbst gedrehte Gestalt, ferner durch ihre schmale, oft nur als eine Längslinie erscheinende Innenhöhle.
Als Hauptkennzeichen der Baumwolle (Abb. 89) dient deren zusammengesunkene, glatte, bandförmige Beschaffenheit; die lange Zelle ist in der Regel pfropfenzieherartig um sich selbst gewunden. Während die Leinenfaser eine sehr enge, häufig nur als Längslinie sichtbare Innenhöhle besitzt, zeigt die Baumwollfaser, mehr oder weniger deutlich, eine breite Innenhöhle; auch die schief gestreifte oder gegitterte Beschaffenheit der Zellwand ist für die Baumwolle charakteristisch, ausserdem ist sie viel biegsamer und deshalb mehr gekräuselt als die Leinenfaser.
Die Bastfaser der gemeinen Nessel (s. Nesseltuch) gleicht unter dem Mikroskop der Baumwollzelle doch ist sie durch abwechselnde Erweiterungen und Verengerungen von ihr zu unterscheiden.
Die Bastfaser des Hanfes (Abb. 91) ist lang und walzenförmig, aber ungleich starrer als die Bastfaser des Leins. Die Innenhöhle der Zelle ist in der Begel ziemlich weit, die
Wand ist stark verdickt, die Verdickungsschichten treten meistens als Längsstreifen der
Wand deutlich hervor, auch zeigen sich hier und da etwas schiefgestellte Querlinien und die Porenkanäle.
Die Bastzellen des neuseeländischen Flachses sind sehr lang, glänzend, weiss, seltener gelblich gefärbt. Gleich der Leinenfaser ist sie walzenförmig und wie diese stark verdickt; ihre Innenfläche erscheint in der Regel als einfache Längslinie, es fehlt jede Streifung irgend einer Art.
Das Chinagras, welches das sogen.
Grasleinen (gras-cloth) liefert, ist durch den Glanz seiner Fäden und seine Stärke ausgezeichnet. Die Faser ist sehr lang, starr und bandförmig wie die Baumwolle, aber nicht wie diese, der sie an Breite gleichkommt, um sich selbst gewunden.
Die
Wolle (Abb. 88) ist ein röhrenförmiges, aus zahlreichen, verschieden gebauten Zellen zusammengesetztes Gebilde, welches aus der sogen. Haarwurzel, die in der Haut des Tieres eingebettet liegt, hervorwächst. Unter dem Mikroskop erscheint die W. als eine walzenförmige Bohre, welche mit dachziegelförmig sich deckenden Schuppen bekleidet ist. Die Haarröhre selbst wird von zahlreichen faserartigen, dicht aneinander liegenden Längszellen gebildet, welche ein zentrales Mark, aus kleineren, meistens undeutlichen Zellen bestehend, umgeben.
Der Seidenfaden (s. Seide) ist glatt, walzenförmig, strukturlos, ohne eigentliches Ende und ohne Innenhöhle; die Breite des Fadens ist nach der Seidenart verschieden; in der Hegel ist die Breite des Fadens überall dieselbe. Die Oberfläche ist glänzend, nur in seltenen Fällen erblickt man kleine Unebenheiten oder Eindrücke.
Die Prüfung der Leinwand besorgt der erfahrene Händler zunächst durch das Auge und das Gefühl; aber nicht jede Ware ist von gleicher Glätte und gleichem Glanz. Schon die Leinwand aus Handgespinst ist glänzender, als das aus Maschinengarn gefertigte
Gewebe Auch eine aus gebleichtem
Garn gewonnene Leinwand ist nicht so glatt, als das im Stück gebleichte Leinen. Das Mikroskop oder die Weberlupe zeigt die Ursachen der grösseren oder geringeren Glätte des Fadens: das feine Handgespinst ist weniger gedreht als der Faden des Maschinengarns, die Oberfläche des Fadens aus ersterem ist, wie es scheint, mehr angegriff'en, die Fasern sind rauher, der Faden erscheint deshalb nicht so glänzend. Eine mit Baumwolle untermischte Leinwand hat selten ein so glattes, glänzendes Ansehen als die reine, feine Leinwand. Der Baumwollfaden erscheint unter der Lupe rauher und weniger abgerundet, das gemischte
Gewebe ist deshalb häufiger scheinbar feiner als die reine Leinwand. Üebrigens verändert die Art der
Appretur das Ansehen der Gewebe: eine stark mit Kleister appretierte Leinwand ist natürlich glänzender und steifer als ein schwach appretiertes
Leinengewebe Je gleichmässiger der Leinenfaden unter der Lupe erscheint und je glatter, länger und gleichmässiger die Bastzellen der einzelnen Fäden sind, um so vorzüglicher ist die aus diesen Fäden gewebte Leinwand (Abb. 93). So selten nun ein gemischter Faden aus Baumwolle und Leinen vorkommt, so häufig enthält die Leinwand, neben aus der Leinenfaser bestehenden Fäden, solche aus Baumwolle: dahin gehört z. B. die
sogen. Halbleinwand.
Die wichtigeren Prüfungsmethoden zur Erkennung der Baumwolle in Leinengeweben, denen eine Entfernung jeglicher
Appretur durch Auswaschen vorangehen muss, sind folgende:
Abb. 88 Darstellungen aus: Buch der Erfindungen Leipzig
u. Berlin. Bd. 6. S. 314-316: Wollfaser 400 mal vergrössert.
Die Oelprobe für ungefärbte
Gewebe Man taucht ein Stückchen der zu prüfenden Leinwand in Baumöl oder Rüböl, welches vom
Gewebe alsbald aufgesogen sein wird. Durch gelindes Pressen zwischen Löschpapier entfernt man das überflüssige Oel. War das
Gewebe gemischt, so erscheint dasselbe gestreift: der Leinenfaden wird durchsichtig, der Baumwollfaden bleibt bleibt undurchsichtig.
Die Verbrennungsprobe. Ein Leinfaden, in senkrechter Stellung angebrannt, erscheint nach dem Erlöschen der Flamme am angebrannten Ende in glatter, zusammenhängender Form verkohlt, während ein Baumwollfaden, ebenso behandelt, sich pinselförmig auseinanderspreizt.
Auch mit gefärbter Ware gelingt der Versuch, wenn das
Gewebe frei von Chromgelb ist.
Die Kaliprobe. Aus Leinfasern bestehende
Gewebe sollen in einer kochenden konzentrierten Kalilauge innerhalb zwei Minuten tiefgelb gefärbt erscheinen, während aus Baumwolle bestehende
Gewebe eine nur schwachgelbe Färbung annehmen; gemischte
Gewebe sollen nach dieser Methode gestreift erscheinen.
Die Schwefelsäureprobe. Nachdem man eine Probe des Stoffes ein bis zwei Minuten in gewöhnliches englisches Vitriolöl getan hat, legt man sie zur Entfernung der Säure in Wasser, welches die aus der Baumwolle erzeugte gummiartige Masse auflöst. Zur schnelleren Beförderung der Säure tut man den Stoß noch in Salmiakgeist und wäscht ihn nochmals aus. Nach Abpressen der Feuchtigkeit mittels Löschpapiers ist das Resultat festzustellen. War Baumwolle vorhanden, so fehlen dieselben in dem
Gewebe
Die Farbeprobe mit rotfärbenden weingeistigen Tinkturen. Reine
Leinengewebe färben sich beim Eintauchen in einer Viertelstunde gleichförmig orangerot, reine Baumwollgewebe gleichförmig gelb; ist das
Gewebe gemischt, so erscheinen die Leinenfäden gelbrot, die Baumwolle gelb, das Ganze gestreift. Leinenfaser in Salpetersäure getaucht, färbt sich nicht.
Reine Baum wollengewebe wird man nicht mit reinen Leinengeweben verwechseln können. Mit Jod oder Schwefelsäure behandelt, quillt die Faser auf, sie verkürzt sich dabei, färbt sich schön blau und windet sich hin und her und es erscheinen dunkelblaue Ringe oder Spiralen, ähnlich wie bei der Leinenfaser. Englische Schwefelsäure löst die Baumwollfaser etwas schneller als die Leinenfaser; Jodlösung für sich färbt sie gelber als die L.
Die äusseren Schichten der Nesselfaser quellen unter Jod und Schwefelsäure als breite, die inneren Schichten dagegen als sehr dicht gewundene zarte Spiralbänder auf. In englischer Schwefelsäure wird die N. nicht so schnell aufgelöst als die Baumwolle.
Die Hanffaser wird durch Jod und Schwefelsäure blau gefärbt, die Säure wirkt nicht so schnell als auf die Baumwolle oder Leinenfaser, auch winden sich die aufquellenden Schichten selten spiralförmig. Gegen Aetzkali und gegen Salpetersäure u. s. w. verhält sich die Hanffaser ähnlich wie die Leinenfaser; doch färbt sie sich, wahrscheinlich wegen ihres grösseren Gehaltes an Holzstoff, in kochender Kalilauge ungleich gelber.
Neuseeländischer Flachs wird von Jod und Schwefelsäure in der Regel erst blau gefärbt und quillt dann ähnlich wie die Leinenfaser auf.
Das Chinagras wird von Schwefelsäure viel langsamer als die Baumwolle und Leinenfaser angegriffen; kochende Aetzkalilösung färbt dieselbe hellbraun, Jod und Schwefelsäure blau, sie quillt dabei langsamer als Leinen auf.
Die
Wolle verbreitet beim Verbrennen den Greruch einer verbrannten Feder; Zucker und Schwefelsäure färben sie rosenrot, letztere zerlegt das Haar in seine einzelnen Teile, greift sie aber nur sehr langsam an. Kalte Aetzkalilösung wirkt auch nur langsam auf das Haar, kochende dagegen löst es rasch und vollständig auf. Jod und Schwefelsäure färben das Wollenhaar niemals blau.
Der Seiden faden wird von der englischen Schwefelsäure sehr schnell glöst und in eine klebrige, schleimige, fadenziehende, sich mit Wasser schwer vermischende, halbflüssige Masse verwandelt während das Wollenhaar derselben Schwefelsäure lange widersteht. Das Aufquellen der
Seide in der Schwefelsäure erfolgt von aussen nach innen, die innerste Partie erhält sich bisweilen für einige Minuten als festes walzenförmiges Stäbchen, während die äusseren Teile, ohne deutliche Schichtung zu zeigen, bereits aufgequollen sind. Zucker- und Schwefelsäure färben den sich rasch auflösenden Seidenfaden schneller als die
Wolle rosenrot; Jod und Schwefelsäure bewirken, wie bei der Wolle, keine blaue Färbung. Von kochender Aetzkalilösung wird die
Seide rasch und vollständig aufgelöst. Verbrennende
Seide riecht wie eine verbrannte Feder.
Abb. 89 Abb. 88 Darstellungen aus: Buch der Erfindungen Leipzig
u. Berlin. Bd. 6. S. 314-316: Baumwollfaser, 400 mal vergrössert.
Bei Vermischung von
Wolle und Baumwolle prüft man, indem die zerzupften Fäden des farblosen Gewebes mit Jodlösung angefeuchtet werden und man einen Tropfen Schwefelsäure damit in Verbindung bringt, wodurch im Falle des Vorhandenseins von Baumwolle eine schöne blaue Färbung hervortritt, während die vorhandene
Wolle kaum bemerkbar angegriffen wird.
Als chemische Probe auf
Wolle und
Seide genügt die Anwendung englischer Schwefelsäure. Taucht man ein reines Seidenzeug dahinein, so löst sich dasselbe in wenigen Sekunden zu einer weichen, klebrigen, in Wasser, wie es scheint, schwer löslichen Masse auf. Waren
Seide und
Wolle durcheinander gewebt, so verschwindet die Seide, während letztere ziemlich unverändert zurückbleibt; ist auch Baumwolle dabei, so verschwindet auch diese, aber ungleich später als die
Seide Ist ein seidenes
Gewebe mit Baumwolle vermischt, so bleibt die letztere, wenn man dasselbe mit Aetzkalilösung kocht, unverändert zurück; die
Seide sowohl als die Wolle, wenn solche vorhanden ist, sind durch das Aetzkali vollständig verschwunden,