Lexikon

Handwörterbuch der Textilkunde aller Zeiten und Völker für Studierende, Fabrikanten, Kaufleute, Sammler und Zeichner der Gewebe, Stickereien, Spitzen, Teppiche und dergl., sowie für Schule und Haus, bearbeitet von Max Heiden, Stuttgart 1904

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Eintrag: Shawl
Shawl (engl.), franz. chale, vom indischen und persischen schäl, welches Umhang, Mantel, ärmellosen Rock aus feiner Ziegemvolle bedeutet, und nach Angabe des Arabers Ibn Batuta von dem Namen einer indischen Stadt - Schalitat - hergeleitet sein soll. Grosses, viereckiges Tuch (Longshawl), aus der Vliesswolle der tibetanischen Hausziege gewebt und im Orient gürtelartig um den Leib gewunden, in Europa als Umhängetuch getragen, ist ostindischer Herkunft. In Kaschmir soll die Industrie im 16. u. 17. Jahrh. 40000 Shawlwebstühle mit etwa 120000 Arbeitern beschäftigt haben; gegenwärtig ist die Industrie infolge der politischen Verhältnisse und der Konkurrenz der Maschinenarbeit sehr gesunken. Die tibetanische Wolle wird in Kaschmir erst mit Reiswasser gebleicht und dann gefärbt; G. W. Leitner teilt in seinem Account of shal-weawing (Labore 1882) 58 Farbenschattierungen mit. Die Zeichnung entwirft der Obershawlarbeiter (Dushawlawaller) in Umrissen, der Shawlmeister über setzt dieselbe in eine schriftliche Anweisung, in welcher jedes Zeichen eine Farbennüance oder eine Zahl bedeutet; mit diesem Blatte in der Hand nimmt er neben dem Weber Platz und liest ihm die Zeichen der Reihe nach vor, wonach dieser arbeitet ohne zu wissen, welches Muster er webt. Anstatt eines Weberschiffs bedient man sich hölzerner Nadeln. Es werden immer zwei Shawls nach einem Muster gewebt, die man nach Beendigung der Arbeit durch Zerschneiden der (doppeltlangen) Fransen trennt. Für den Spiegel ist das sogen. Palmwipfelmuster (s. d.) besonders beliebt, die Borte setzt sich aus geometrischen und kleinen Pflanzenmotiven zusammen.
Der Ursitz der Shawlweberei ist das grosse Hochtal Kaschmir im Himalajagebirge. Niemals bringen die Weber ihre Stoffe anderwärts in gleicher Farbenschönheit zustande wie in der Heimat; man erklärt dies auch aus der grossen Reinheit von Luft und Wasser in Kaschmir. Nachgeahmt werden die Kaschmirshawls in Amritsar (s. d.)
Die europäische Nachahmung der Sh. sind mit Hilfe besonderer Einschlagfäden nach Art der broschierten und lanzierten Stoffe nur aus Kammgarn oder aus Wolle mit baumwollener Kette und Einschlag von Kammgarn. Die Hauptorte der europäischen Shawlfabrikation sind Paris, Lyon, Nancy, Nimes, Norwich, Edinburgh, Wien, Zürich, Basel, Berlin.
Siehe auch:  Agen  Ala  Amritsar  Arbeit  Asch  Auch  Garn  Lein  Schal  Schiff  Schlag  Stoff  Webe  Weberei  Weberschiff  Werden  Wien  Wolle  Zahl  Zürich