Schlitzwirkerei kann man ihrer äusseren Erscheinung nach die ältfeste der eigentlichen
Weberei voraufgegangene Technik im Bereiche der Textilkunst bezeichnen, welche auf hoch- oder wagerecht gespannter Kette durch Hin- und Herverflechten bestimmter Fadengruppen derselben eine sich in Schlitzen absetzende Musterung herstellt. Die älteste, gröbste und einfachste Art derselben ist uns erhalten im orientalischen Kilim (s. d.). Die feinsten Schlitzwirkereien in
Seide und
Goldfäden haben die koptischen Textilfunde gebracht, welche nach den darauf befindlichen arabischen Inschriften dem 12.-15. Jahrh. angehören, aber wohl auch heute noch im Orient gemacht werden. Hier sind schmale und breitere
Borten als Endigung von feinen Leinentüchern in dieser Art eingewirkt, deren Farben und Musterung lebhaft an altägyptischen Einfluss erinnern (Abb. 273).
Der Entwicklungsgang dieser Technik führt durch viele Vorstufen schliesslich zur sogenannten Gobelinarbeit (s. Wandteppiche); ältere orientalische Arbeiten in
Wolle sind erhalten u. a. in dem aus St. Gereon in Köln stammenden Wandbehang des XI. Jahrhdts. mit Kreisen, in welchen die Darstellung von Fabeltieren in Umrahmung romanischer Ornamentborten (vgl. Abbildungen in Müntz, La Tapisserie u. a. a. 0. - Originalstücke in den Museen zu Berlin und Lyon - ) an frühmittelalterliche Stoffmuster erinnern. Eines der prächtigsten Beispiele dieser Wirkereien in
Seide ist die aus Bamberg stammende
Arbeit (abgebildet in Cahier & Martin, Melanges d'archeologie Bd. II, S. 251) mit Reiterfiguren in Kreismustern auf kleingemustertem Grrunde aus herzförmigen Blättern, die für frühbyzantinische Kunstformen bezeichnend sind. Welcher mechanischen Hilfsmittel man sich bei der Herstellung dieser feinsten textilen Kunstfertigkeit damals bediente, in der auch heute noch in China und Japan Unerreichbares geleistet wird (Abb. 210 u. 274), ist schwer zu sagen. (Vgl.
Weberei )
Abb. 210 Originalaufnahme aus dem Königl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart: Schlitzwirkerei in farbiger Seide auf hellblauem Grunde Kirschblütenzweig und ein Paar von Schwalben. Japan, Anfang 19. Jahrh.
Abb. 273 Originalaufnahme aus dem Kaiser
Friedrich-Museum in Berlin: Teil der Endigung eines feinen Leinentuches, bestehend aus zwei breiten und einer schmalen Borte in farbiger Seidenwirkerei. Arabisch 13. Jahrh.