Sammet, (lat. sametum, samit, samis examitum franz. velours engl. velvet; ital.: velluto; span. terciopelo); ein Gewebe, das wie Velpel oder Plüsch aus zwei Ketten besteht, von denen die erste die Grund- und Unterkette, die zweite die Flor-, Poil-, Pol-, oder Sammetkette genannt wird. Durch die Grundkette mit dem Einschlage entstehen die gewöhnlichen Webarten Taffet, Köper oder Atlas, wonach der Sammet zunächst technisch unterschieden wird. Die darüber auf besonderem Baum sich befindliche Polkette, deren Fäden durch die Schaftlitzen und das Riet ganz gieichmässig zwischen die Grundfäden verteilt sind, wird durch einen besonderen Tritt aufgehoben und in das so gebildete Fach legt man eine Nadel oder Rute. Ist hiernach die Polkette niedergezogen, d. h. wieder unter die Grundkette gebracht, so haben sich sämtliche Polfäden in Schleifen um die Ruten gelegt, wodurch die Noppen entstehen. Hat man die Polkette durch mehrere Schussfäden wieder mit der Grrundkette gebunden, so legt man eine neue Rute ein und so entstehen je nach der
Zahl der eingelegten Ruten die einzelnen Reihen der Noppen. Die Entfernung der Ruten aus dem
Gewebe geschieht entweder dadurch, dass sie herausgeschnitten oder herausgezogen werden, wonach man den Sammet als geschnittenen (Velours coupé) und gezogenen oder ungeschnittenen (Velours frisés) bezeichnet. Die Ruten unterscheiden sich in Sammet- und in Setzruten; letztere sind im Verhältnis zu ersteren dünner und höher und werden gewöhnlich bei sehr hohem Flor (Moleskin), bei fassoniertem Sammet und bei leichten Sammetbändern mit Schlingfaden angewandt. Das Aufschneiden der Noppen geschieht mit dem Dreget, einem zugespitzten, hakenförmigen Messer, das in der Vertiefung der Rute entlang gezogen wird. (Vgl. hierzu Fig. 11-18 auf Tafel XVI).
In Ansehung der einfachen und künstlichen Art des Gewebes unterscheidet man glatten einfachen, fassonierten einfachen mit Trittmaschine oder Schäften, gemusterten S. mit Jacquardmaschine, doppelten und reichen S. Der einfache glatte S., von welchem der gerissene oder geschorene am gangbarsten ist, wird in sehr verschiedener Güte angefertigt und hiernach in Kieper und Bastard (früher Baster) unterschieden:
Plüsch, mit den nämlichen Handgriffen gewebt, mit langhaariger Oberfläche, ist hiervon die geringste Art. Zum Kiepersammet, den man auch italienischen oder Genueser S. nennt, nimmt man bessere
Seide und mehr Fäden als zum Bastard: man spricht hiernach von so und so viel fädigem oder drähtigem S. Der fassonierte oder gemusterte S. wird auf dem
Stuhl des glatten S. hergestellt; aber es gehören dazu nach der Verschiedenheit der Muster und Farben zwei und mehrere Polbäume mit ebenso viel Polketten. Zuweilen hat man auch Golld- und
Silberfäden eingewebt und reiche Muster erzeugt: es ist das Velours or frisées. Ein reiches gemustertes Sammetgewebe, bei dem die Polfäden durch den
Harnisch regiert werden müssen, und das wegen der verschiedenen Einarbeitung viele Polbäume nötig macht, wird hergestellt, indem die Polbäume durch Rollen oder Klötzchen ersetzt werden. Der
Doppelsammet (Velours à double face) hat auf beiden Seiten eine Pole oder haarige Oberfläche; gewöhnlich ist dabei die eine Seite anders in der Farbe. Pelzsammet (Panne) hat ein höheres Haar als der gewöhnliche und ist mehr eine Art Velpel, man hat ihn glatt, gemustert, gedruckt und gepresst. Gemalter S. (mit Wasserfarben) wurde im 18, Jahrh. in England erzeugt, der sich auch nach Frankreich und
Deutschland verpflanzte, ebenso gedruckter S. zu Tapeten, Kleidern, Möbeln und Westen: eine besondere Art von Bildern wurde am Ende des 18. Jahrh. in Sammetkettendruck hergestellt. Gepresster S. hat Muster, welche mit heissem Eisen eingedrückt werden, wobei man dasselbe Verfahren anwendet wie bei dem gedruckten Plüsch, es kommt diese Art oft unter dem Namen Utrechter S. in den Handel.
Der S. wurde ursprünglich nur aus
Seide gewebt, jetzt besteht bei dem eigentlichen echten S. zumeist nur der Flor aus Seide, der
Grund aus Baumwolle; selbst die teuersten Sorten besitzen einen solchen aus geringwertiger
Seide Die Nachahmungen des S. in
Wolle und Baumwolle gehören der neueren Zeit und die in Leinen der neuesten Zeit an. Der im Handel unter dem Namen Manchester (franz. manchester velours coton engl. fustian, velvet, velveteen, cord) auftretende Baumwollsammet besteht aus der Kette, dem
Grund und Polschuss. Grundschicht und Kette bildet einen glatten, leinwandartigen oder geköperten
Grund Der Polschuss legt sich zwischen den Grundschuss und läuft so über die Kette, dass mindestens 3/4 desselben auf der rechten Gewebeseite in parallelen Streifen flott liegen. Diese Streifen bilden mit dem Grunde flache Schläuche und werden nach dem Weben mit einem feinen Messerchen aufgeschnitten. Die so entstandenen Faserenden bürstest man auf der Maschine auf, wodurch der den
Grund deckende Flor entsteht. Hierauf folgt noch Färben,
Scheren und Sengen, letztere Arbeiten, um einen gleichmässigen Flor zu erzielen. Die Höhe des Poles ist bei Manchester eine sehr beschränkte. Langer Flor kann nur durch weiten Stand der einzelnen Büschel erzielt werden, was zu einer geringeren Deckung des Grundes führt. Wie bei dem echten S. unterscheidet man auch bei M. geschnittenen und ungeschnittenen; ferner gestreiften, welcher entweder dadurch entsteht, dass man die Pole nur streifenweise aufschneidet, oder dadurch, dass schon bei dem Weben zwischen den Polstreifen breitere Grundstreifen stehen bleiben. Zu den letzteren Geweben gehören der Kord (franz.: velours à cotes, cordelet; engl.: cord).
Abb. Tafel XVI
Das Alter des Sammets ist nach erhaltenen Stoffen nicht mit Bestimmtheit nachzuweisen, man stützt sich dabei auf die Beschreibung in älteren Schriften und kommt zunächst auf die verschiedensten Benennungen und Umschreibungen des Gewebes. Gottfried Semper (Der
Stil u. s. w., Bd. I, S. 44) möchte die Etymologie des Wortes velours, welches im 13. Jahrh. aufkam, nicht von velum und ursus herleiten, sondern mit dem englischen velvet und dem deutschen Felbel in Zusammenhang bringen, und dabei an Weif, an das glatte Fell des jungen Hundes oder Löwen denken. Henri Silbermann (Die
Seide u. s. w.) teilt nach Prof. Karabacek (Ueber einige Benennungen mittelalterlicher Gewebe,
Wien 1882) und nach Fr. Michel (Becherches sur le commerce etc. des étoffes de soie etc. en France pendant le moyen age. Paris 1852) für Sammet einige arabische Bezeichnungen mit - als catifah, sciamito u. s. w. - und berichtet, dass ausser dem echt arabischen Sammet von Beyrut,
Damaskus und
Alexandrien auch andere unter der Bezeichnung „Samis de Romanie" im Handel vorkamen. Als Abart des Sammets wird Timit genannt und des öfteren erwähnt, dass die grüne Farbe des S. sich im Mittelalter besonderer Beliebtheit zu erfreuen hatte. Die ältesten, dem Plüsch ähnlichen Stoffe, waren nach Semper solche aus
Atlas von vielfädigem Einschlag, dessen Fäden zur Hälfte oder zum Teil zerschnitten wurden, damit sie als lose Enden ein weiches langhaariges Vlies bildeten. Dergleichen Stoffe in
Wolle sind bereits den alten Römern bekannt gewesen und werden als Spezialität der damaligen gallischen Wollenindustrie von Plinius und anderen alten Autoren oft erwähnt. Der Textur des Sammets verwandt sind auch die aus koptischen Gräbern gekommenen
Leinengewebe mit hängenden Noppen, ferner die daher stammenden Durchzug- und Knüpfarbeiten in farbiger
Wolle Dem Sammet noch näher stehend ist im Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin ein violetter ungemusterter langhaariger Seidenstoff aus koptischen Grabfunden, 12.-13.Jahrh. (?), vielleicht auch älter (?), welcher bezüglich des Alters dem aus dem Pergament-Codex des Theodulf (9.-12. Jahrh.) zu Le Puy in Frankreich gleichkäme; letzterer wird als das älteste erhaltene Beispiel von S. genannt. Der Orient, der alte Sitz aller Seidenkultur, war auch der Sitz der Sammetmanufaktur und alle Dichter und Chronisten lassen ihn unter orientalischen Fabrikationsnamen von dort kommen.
Auch unter den Geschenken des Harun-al-Raschid an Karl den Grossen sollen sich schon Sammetstoffe befunden haben. Eigentümlich bleibt die Erscheinung, dass unter den der heutigen Zeit verhältnismässig zahlreich erhaltenen frühmittelalterlichen und mittelalterlichen Seidenstoffen die
Gewebe in Sammet sich aus diesen Epochen nur nach zwei bis drei Stücken zählen lassen und sie führt zu der Frage, ob diese paar der ältesten Beispiele von Sammet nicht dicke gerauhte Atlasstoffe sein können.(?) Die eigentliche Aufnahme des Sammets fällt erst in die Zeit des 14. bis 15. Jahrh., woher sich sowohl aus dem Orient, als auch aus Italien und
Spanien die schönsten Stücke in Mengen erhalten haben. (Sammettapeten s. Tapeten).