Objektnummer: 1703
Lugt: 2773
Wo angebracht: verso
Farbe: violett
Typ: Sammlermarken
geboren: 1836
gestorben: 1909
Sammlerstempel gefunden auf:
REMBRANDT engraving "The Descent from the Cross by Torchlight", 1654
Theodor Horschelt, stehender Junge, Bleistiftzeichnung, aquarelliert, um 1853
Eine ausführliche Würdigung findet sich in Donath, Psychologie des Kunstsammelns, S. 121-127
Adalbert Freiherr von Lanna, der kurz nach der Auktion des ersten Teils seiner kunstgewerblichen Sammlung im Alter von 73 Jahren (Ende Dezember 1909) verschied, ist vielleicht der interessanteste Typus, den die Geschichte des Sammelwesens kennt. Wer den kleinen Mann einmal gesehen hat, wird seinen leuchtenden, klugen Blick niemals vergessen. Kopf und Figur hatten etwas Menzelmäßiges, ja, selten sind zwei Männer einander äußerlich so ähnlich gewesen wie Menzel und Lanna. Vielleicht sogar innerlich. Denn Lanna hat selbst für an sich unscheinbare, im Grunde aber künstlerische Dinge, die ihm der Zufall darbot, ein eminentes Verständnis gehabt, hat die Dinge geprüft, sich gleichsam mit ihnen auseinandergesetzt. Wir bewundern aber nicht nur die geniale Art, wie er wissenschaftlich an die Dinge heranging, sondern die fast seherische Gabe, mit der er manche Kunstgattung zu beurteilen wußte. So hat er schon vor mehr als vier Jahrzehnten die Bedeutung der alten Porzellane für den Kunstmarkt erkannt, hat zu einer Zeit, da man für Keramik noch Spottpreise zahlte, die erlesensten Stücke an sich gebracht, hat den Wert der alten Gläser, den Wert des Edelzinns richtig eingeschätzt, wie keiner vor ihm.
Seine kunstgewerbliche Sammlung gibt einen erschöpfenden Überblick über die Entwicklung des Kunstgewerbes überhaupt, und nicht minder hervorragend ist seine Graphik, in der die Haupt- und Kleinmeister in ihren vorzüglichsten Qualitäten vertreten sind. Sein Lebensschicksal ist kaum bekannt. Lanna wurde — ich verdanke die biographischen Daten seinem Freunde, dem Direktor Dr. F. A. Borovsky vom Kunstgewerbemuseum in Prag — am 29. Mai 1839 in Vierhöf bei Budweis als Sohn des Wasserbauunternehmers Adalbert Lanna geboren. 1857 übersiedelte er mit seinem Vater nach Prag, beschäftigte sich schon damals eifrig mit den Künsten und verkehrte freundschaftlich mit Künstlern und Archäologen wie Manes, Mikovac, Ambros, Dreyschock u. a. Und damals schon fing er zu sammeln an. Nach dem Tode seines Vaters (1866) übernahm er die ausgedehnten Unternehmungen des Hauses, leitete sie, fand aber dennoch Zeit und Muße genug, seiner Lieblingsbeschäftigung, der Kunst und dem Sammeln zu leben. Zwei Jahre später wurde er auf Grund des seinem Vater verliehenen Ordens der Eisernen Krone in den Ritterstand erhoben.
Im Todesjahr seines Vaters legte übrigens Lanna den Grund zu seiner unvergleichlichen Glassammlung, indem er ein mehrfarbiges von Johann Schaper nach J. Callots großen „Kriegsübeln" bemaltes zylindrisches Glas auf drei Kugelfüßen erwarb. (Dieses Glas ist, nebenbei bemerkt, bei der zweiten Berliner Lanna-Auktion im März 191t von J. Rosenbaum in Frankfurt a. M. für den hohen Preis von 6100 M. gekauft worden.) Und dieses Schaper-Glas gab Lanna wieder die Anregung, Callots Radierungen zu sammeln, die ihn schließlich zu der Anlage seiner riesigen Graphiksammlung veranlaßten, deren erster und zweiter Teil 1910 bei H. G. Gutekunst in Stuttgart 1 320000 M. erzielten. (A. Eckener hat [siehe Abb. 40] diese denkwürdige Auktion in einer Radierung festgehalten.) 1869 wurden die Lannaschen Schätze durch die Glaspasten des Barons Koller vermehrt, und von diesem Jahre ab folgte Erwerbung auf Erwerbung. Ein Jahr vorher hatte das österreichische Museum für Kunst und Industrie in Wien den schnell berühmt gewordenen Prager Sammler zum korrespondierenden Mitglied ernannt, und in dem gleichen Jahre begannen unter seiner Ägide die Vorberatungen für die Gründung des Kunstgewerblichen Museums zu Prag, das endlich dank seiner Fürsorge 1885 eröffnet werden konnte. Die allgemeine Glassammlung, die zu den Hauptschätzen dieses Museums zählt — sie ist ein Geschenk Adalbert von Lannas —, erinnert an sein unvergeßliches Wirken. Und seit ein paar Jahren steht im Prager Museum zum ehrenden Andenken an den großen Mäzen eine Bronzebüste des Freiherrn. Josef Myslbek, der führende Meister unter den tschechischen Plastikern, hat sie geschaffen (Abb. 38). Die Berliner Auktionen der Lannaschen Sammlungen sind Ereignisse gewesen: Das Ergebnis der ersten vom November 1909 hatte alle Erwartungen übertroffen. 1350000 M. war der Gesamterlös. Nie zuvor hatte Berlin eine ähnliche Auktion gesehen. Was Rang und Namen hat, war bei Lepke gewesen: Gelehrte aus aller Welt, Museumsdirektoren, kluge Sammler und große Händler — die kleinen saßen bescheiden im Hintergrund. Und niemals war der Kampf der Museen untereinander heftiger, niemals noch der Kampf der Händler mit den Museen ernster gewesen. Museen und Händler überboten einander, mußten einander überbieten, weil eben die Gelegenheit da war, Qualitäten bester Provenienz zu erjagen. Und so gab Jacques Seligmann aus Paris für den Limousiner Reliquienschrein (Abb. 39), der einst Lanna, wie ich hörte, nebst zwei anderen erstklassigen Stücken 3000 Gulden, also 5000 M. gekostet hätte, 121000 M., so ging Direktor Otto von Falke vom Berliner Kunstgewerbemuseum bei dem Breslauer Zinnhumpen bis 33000 M., das Breslauer Museum bei der Breslauer Wandschüssel bis 26000 M. usw. (1913 erstand bei Lepke das Kestner-Museum in Hannover die große aus dem Jahre 1506 stammende Zinnkanne der Hirschberger Tuchmacherinnung [Sammlung Oppler] für 23500 M.) Man schuf bei Lanna Rekordpreis um Rekordpreis.
Und die gleiche Intensität hatte der Auktionskampf, als im März 1911 der zweite Teil des Lannaschen Kunstgewerbes versteigert wurde. 1 400000 M. betrug das Resultat. Die Summe ist höchst respektabel, aber nicht minder respektabel scheint mir der ideale Gewinn, den der Kunstmarkt an sich aus dieser großen Versteigerung zog. Denn die Lanna-Auktion hat deutlich bewiesen, wie mächtig der deutsche Markt sich entwickelt, wie stark Berlin vorwärts schreitet und wie hoch man heute einzelne Kunstgattungen ihren Qualitäten entsprechend zu werten hat. Und das Ergebnis dieser Berliner Versteigerung ließ auch wieder die Forderung akut werden, daß die einzelnen Kommunen usw. verpflichtet wären und sind, ihre Museen mit allen nur möglichen Kräften und Mitteln in dem Bestreben zu fördern, erstklassige Qualitäten des Markts um jeden Preis sich zu sichern.
Die Preise selbst, die man bei dieser zweiten Auktion Lanna gezahlt hat, interessieren nicht minder als jene der ersten Novemberversteigerung. Besonders hoch gingen die Buchssachen, die aller dings gleich den Arbeiten in Stein und Wachs seit jeher anständige Preise brachten. Bei der zweiten Lanna-Auktion aber war die deutsche Konkurrenz so stark, daß z. B. die Buchsmedaillons bis auf 16000, 17000 M. kamen, und daß Albrecht Ritter von Kubinsky in Wien für das Medaillon mit dem Porträt des Wolfgang Gamensfelder sogar 28000 Mark bot. (Abb. 43.) Und Hofrat Koetschau, der damalige Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin, erwarb Hans Leinbergers Buchsrelief „Die Kreuzabnahme Christi" für den hohen Preis von 30000 M. Aus der Gruppe der Kehlheimer Steine kaufte dann der Kunsthändler Pick aus Wien das Reiterbildnis Kaiser Maximilians von Hans Daucher für 72 500 M. Vor 25 Jahren hatte „Die Begegnung" desselben Meisters, die damals allerdings noch unter dem Namen Hans Dollinger ging und später in Morgans Besitz kam, bei Heberle in Köln 50060 M. erreicht. Schließlich wanderten nach London (durch
Durlacher) Lannas italienischer Bergkristallpokal für 71 000 M., der syrische Glaspokal für 41 000 M., der Sieneser Teller für 41 000 M. Im März 1911 folgten in Berlin dem Lannaschen Kunstgewerbe noch die Medaillen und Münzen des Prager Sammlers — Gurt Regung hat sie katalogisiert — sowie ein Teil der Lannaschen Handzeichnungen und Stiche. Seine Viennensien wurden bei Gilhofer und Ranschburg in Wien versteigert. So sind heute die Schätze Adalbert von Lannas in alle Winde zerstreut, doch der Name des genialen Sammlers lebt fort und wird den Sammlern immer ein Vorbild sein.
Literatur
Lugt, Frits: Les Marques de collections de dessins & d'estampes, Amsterdam : Vereenigde Drukkerijen, 1921 / Les marques de collections de dessins & d'estampes; marques estampillées et écrites de collections particulières et publiques. Marques de marchands, de monteurs et d'imprimeurs. Cachets de vente d'artistes décédés. Marques de graveurs apposées après le tirage des planches. Timbres d'édition. Etc., La Haye : M. Nijhoff, 1956. Erweiterung im Internet: www.marquesdecollections.fr
Donath, Adolph: Psychologie des Kunstsammelns, Berlin 1920
Verweise
Haben Sie Hinweise zu diesem Eintrag oder eine weitere photographische Ansicht eines der
links stehenden Objekte, senden Sie uns bitte eine Email mit der Abbildung.